Mit Vollgas aus der Nische

Neue Marken aus den USA und China

Mit Vollgas aus der Nische

2. Januar 2023 agvs-upsa.ch – Kaum ein Monat vergeht, ohne dass eine neue Automarke ihren Markteintritt ankündigt. Meist kommen sie aus China – wie etwa Nio, Ora oder Wey – oder auch aus Amerika wie Lucid Motors. Ihnen allen gemein: Sie treten mit neuen Marketing- und Verkaufsideen auf und versuchen so, sich rasch bei den Kunden und in der europäischen Autobranche zu etablieren. Denn sie alle sind gekommen, um zu bleiben.

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Die neue Heimat der US-Elektro-Marke Lucid Motors, das schicke Studio am Cours de Rive 10 mitten in Genf. Foto: Lucid Motors

jas. Im letzten Herbst gab die Emil Frey Gruppe bekannt, dass sie den Vertrieb der chinesischen Great-Wall-Motor-Gruppe übernehmen und die Marken Ora und Wey nach Europa bringt. Ziel sei es, die Fahrzeuge in allen europäischen Ländern zu vermarkten, in denen Emil Frey tätig ist – somit auch in der Schweiz. Die ersten 4,25 Meter langen Funky Cat der Elektromarke Ora mit ihren 171 PS und Reichweiten von 310 bis 420 km stehen inzwischen bei deutschen Händlern. Und mit dem Plug-in-Hybrid-SUV von Wey, dem Coffee 01, steht bereits ein weiteres spannendes Modell aus China in den Startlöchern.

great-wall-motors-ora.jpgDer coole Kompaktstromer Ora Funky Cat des chinesischen Herstellers Great Wall Motors dürfte wohl auch bald auf Schweizer Strassen zu sehen sein. Foto: Great Wall Motors

Mit Vollgas unterwegs ist auch die chinesische Marke Nio: Erst im Mai 2018 lief deren erster Stromer vom Band. Inzwischen wurden die Produktionskapazitäten zügig ausgebaut, bereits über 300000 Fahrzeuge produziert und mit dem Marktstart in Deutschland, den Niederlanden, Schweden und Dänemark weitere Meilensteine erreicht. Der E-Newcomer will aber mehr als bloss eine Automarke sein und verkauft daher unter dem Label «Nio Life» Lifestyle-Produkte. Zudem will man eine Community aufbauen. Alleinstellungsmerkmal bei Nio: Man kann die Batterie der Limousine ET7 nicht nur laden, sondern auch tauschen. Mitte Dezember gab es dazu weltweit 1263 sogenannte Power-Swap-Stations. Zudem verfügt Nio über 12785 eigene Ladesäulen und bietet seinen Kundinnen und Kunden Zugang zu über 998000 Ladesäulen von Drittanbietern. Und die Community können die Nio-Nutzerinnen und -Nutzer inzwischen in fast 95 Nio Houses oder Spaces pflegen.

Nicht aus China, sondern aus Amerika kommt eine weitere Elektromarke, die sich nun anschickt Europa und vor allem auch bereits die Schweiz zu erobern. Nach dem Start in den Niederlanden und Deutschland eröffnete das Elektro-Start-up Lucid Motors in Genf den ersten Schweizer Showroom resp. Studio, wie es die Amerikaner nennen, am Cours de Rive 10.

nio.jpgDie erste Power-Swap-Station für die E-Limousine der chinesische Marke Nio in Deutschland steht in Zusmarshausen bei Augsburg. Foto: Nio

Wieso dieser doch recht frühe Marktstart in der Schweiz?
Lucid Motors:
Die Schweiz ist international bekannt für ihre Vorliebe für Luxus, Qualität und Schönheit. Sie ist das Land der Premiumprodukte, von der Technik bis hin zu den Uhren. Deshalb glauben wir, dass wir hierher gehören. Das ist der ideale Markt für uns. Die Schweizer Kunden sehnen sich nach einem Premium-EV, mit dem sie jeden Tag stolz durch die atemberaubende Schweiz fahren können. Wir erfüllen ihre Bedürfnisse. Unsere «Dream Edition»-Modelle haben eine Reichweite von über 800 Kilometern – und können erst noch in nur 20 Minuten über 350 Kilometer Reichweite nachladen.

Wie sehen die weiteren Pläne für die Schweiz aus? Wie für den Rest Europas?
Unsere Kundinnen und Kunden in Genf haben uns gegenüber ihre Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass sie den Lucid Air persönlich erleben können. Wir haben die Absicht, einen Standort in Zürich zu eröffnen, und arbeiten derzeit hart daran, die Details festzulegen. Ausserhalb der Schweiz freuen wir uns, dass wir am 16. Dezember unser erstes europäisches Vertriebs- und Servicezentrum in Hilversum in den Niederlanden eröffnen durften und dass im ersten Quartal 2023 ein Studio in der norwegischen Hauptstadt Oslo eröffnet wird.

lucid-genf-2.jpgSchon die Basisversion der E-Luxuslimousine Lucid Air bietet 480 PS und über 650 km Reichweite. Foto: Lucid Motors

Sie versprechen das am schnellsten aufladende Elektrofahrzeug der Welt und bis zu 900 Kilometer Reichweite. Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein – wer entwickelt bei Lucid Motors?
Wir entwickeln alles von Grund auf neu. ­Lucid ist eines der wenigen Automobilunternehmen der Welt, bei dem alles im Haus gemacht wird. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn es ist ein enormer Vorteil für den Kunden. Abgesehen von den Reifen, der Aufhängung und einigen kleinen Komponenten bauen wir alles selbst. Dadurch haben wir die vollständige Kontrolle über die Produktion und können eine hohe Produktqualität sowie schnelle Änderungen und Reparaturen gewährleisten. Die Limousine Lucid Air wird von einem Topteam unter der Leitung unseres CEO und CTO, Peter Rawlinson, und unseres deutschen Chefingenieurs sowie Senior Vice President of Product, Eric Bach, entwickelt.

Wie unterscheidet sich Lucid Motors noch von anderen E-Anbietern? Wieso entwickeln Sie überhaupt 99 Prozent selbst?
Es gibt viele Aspekte, in denen sich Lucid von der Konkurrenz unterscheidet, aber wenn wir uns auf drei Bereiche beschränken müssten, dann wären dies die unvergleichliche Leistung – schon unser Basismodell, der Pure, hat 480 PS und 600 Nm und eine Reichweite von über 650 km. Unser Spitzenmodell, der Sapphire, bewegt sich im Bereich der Hypercars mit 1200 PS und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als zwei Sekunden. Es gibt nur eine Handvoll Automobilhersteller auf der Welt, die diese Werte erreichen können. Der zweite Punkte wäre das Design: Unsere Autos sind mehr als nur Autos. Sie sind bewegliche Kunstwerke, die jeden Tag besser aussehen. Wir glauben, dass EVs weder innen noch aussen langweilig sein müssen. Und als dritter Punkt, wäre das Kundenerlebnis zu nennen. Wir bauen das gesamte Auto selbst und agieren als Direktvertriebsmarke. Das bedeutet, dass wir sowohl den Verkaufsprozess als auch den Service selbst in die Hand nehmen, denn wir glauben an hohe Qualität. Auf diese Weise können wir den gesamten Prozess kontrollieren und sicherstellen, dass die Erwartungen unserer Kunden in jeder Hinsicht erfüllt werden.

lucid-carosserie-3.jpgNeale Laker (Senior Manager - Collision Repair & Satellite Service Programmes Europe bei Lucid Motors) und Thierry Juilland (Future Retail Strategy Director, Amag Retail) besiegeln die Vereinbarung, dass die Amag-Tochter Noviv Mobility AG exklusiver Body-Shop-Partner von Lucid Motors wird. Foto: Amag

Bis jetzt gibt es eine viertürige Luxus­limousine mit einem Preis von rund 200'000 Franken. Können Sie schon etwas zu den weiteren Plänen der Marke verraten?
Ja, unser kommender SUV, der Gravity heisst, wird der beste SUV der Welt sein. Er wird ähnliche Leistungsdaten wie der Air aufweisen und über drei Sitzreihen für Erwachsene verfügen. Gravity wird viele Rekorde brechen und dabei absolut atemberaubend aussehen.

Als eine neue Automarke ist es nicht einfach, sich zwischen etablierten Marken zu etablieren: Tesla hat es in Europa geschafft, Infiniti nicht. Wie sieht Ihre Strategie hier aus?
Letztlich geht es um ein überlegenes Produkt und einen hervorragenden Service. Wir sind in der Lage, nicht nur ein Premiumprodukt anzubieten, sondern auch einen Premiumservice, welcher der Qualität des Produkts entspricht. Das können wir erreichen, indem wir den gesamten Verkaufs- und Servicezyklus kontrollieren. Unsere Verkaufsaktivitäten werden vollständig von Lucid Motors abgewickelt und betrieben, in einem Modell, das wir «direct-to-customer» nennen. Ausserdem hat ein Lucid-Kunde während seiner gesamten Kundenreise nur einen einzigen Ansprechpartner.

lucid-genf-3.jpgLucid Motors ist nun auch in Genf zuhause. Foto: Lucid Motors

Wie kann man eigentlich einen Lucid Air kaufen, nur online oder auch über einen Händler? Und wo und wie oft wird die Limousine gebaut werden?
Man kann ein Lucid-Modell online oder persönlich in unseren Lucid Studios in Genf, München und bald auch in Hilversum (Niederlande) und Oslo (Norwegen) kaufen. Anstelle eines typischen Händlermodells arbeitet ­Lucid Motors nach dem so genannten «Direct-to-Consumer»-Modell, was bedeutet, dass alle Verkaufsbüros vollständig in unserem Besitz sind und von uns betrieben werden, was uns eine grössere Kontrolle über die Qualität ermöglicht. Und wir bauen derzeit 300 Autos pro Woche.

Und mit wem arbeiten Sie im Aftersales-Bereich und Reparaturen zusammen? Oder wollen Sie sich in der Schweiz ein eigenes Netzwerk aufbauen?
Wir wickeln den gesamten Aftersales und die Reparaturen im eigenen Haus ab. Wir haben ein super Netzwerk von Lucid-Technikern, welche die Fahrzeuge vor Ort reparieren können. Wenn dem Auto eines Lucid-Kunden etwas zustösst, können wir entweder einen Reparaturwagen der Marke Lucid an den Ort des Geschehens schicken oder wir arrangieren eine Unterkunft im nächstgelegenen Hotel, während wir das Auto reparieren. In jedem Fall bieten wir den Service selbst an, was uns ermöglicht, einen erstklassigen Service und eine schnelle Abwicklung zu bieten und Menschen in Not schnell zu erreichen. Es ist erwähnenswert, dass derzeit etwa 70 Prozent aller Serviceleistungen über den Luftweg abgewickelt werden. Dies ist unserem erstklassigen Software-Team zu verdanken, das die Software ständig aktualisiert und neue Innovationen in Lucid Air einbringt.

Lucid wird oft als Tesla-Jäger bezeichnet. Ist es das, was Lucid ist?
Nein. Wir jagen niemanden und vergleichen uns auch nicht mit anderen Automobilherstellern. Lucid glaubt an seine eigene Stärke und Mission, die darin besteht, die Einführung nachhaltiger Energie durch die Entwicklung der faszinierendsten Elektrofahrzeuge zu fördern. Wir glauben, dass die Zusammenarbeit mit anderen Elektrofahrzeugherstellern bei dieser Mission der beste Weg für die Kunden und den Planeten ist.

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Die rund 200'000 Franken teure Luxuslimousine macht den Anfang bald folgt auch ein SUV. Foto: Lucid Motors
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