Herausforderung Ladeinfrastruktur

Elektromobilität in Garagen

Herausforderung Ladeinfrastruktur

15. März 2024 agvs-upsa.ch – Die Garage als Kompetenzzentrum für Fahrzeugtechnik steht vor neuen Herausforderungen: Elektro­mobilität. Tauchen Sie ein in die Welt der Ladeinfrastruktur, von Batterietechnik bis zu innovativen V2X­Konzepten. Erfahren Sie, warum die richtige Wahl der Infrastruktur entscheidend ist und wie Garagen ihre Zukunft nachhaltig gestalten können. Markus Peter


Ladestationen sind die Tankstellen von morgen. Foto: Volvo

Mit der Fahrzeugtechnik kennen sich Garagen selbstverständlich aus. Bei vielen Garagen gilt dies inzwischen auch für die Technik von Elektrofahrzeugen. Doch wie sieht es mit den Kenntnissen rund um die Ladeinfrastruktur aus? Im Vergleich zur Betankung von Fahrzeugen mit flüssigen Treibstoffen scheint die Versorgung mit Elektrizität komplexer zu sein.

Einfluss der Fahrzeugkomponenten
Bevor die externe Ladeinfrastruktur betrach tet wird, fördert ein Blick auf die im Elektrofahrzeug verbaute Batterie und Ladetechnik das Verständnis. Derzeit zeigt der Trend vieler Fahrzeughersteller immer noch hin zu grösseren Batterien, um damit Reichweiten von mehreren hundert Kilometern zu ermöglichen. Sollte sich die oft zitierte Reichweitenangst mit der Zeit als weniger wichtig herausstellen oder sich die Anzahl verfügbarer und einfach zu bedienender (Schnell-)Ladestationen noch mals deutlich erhöhen, so wäre für viele Fahrzeuge eine Trendwende hin zu kleineren und günstigeren Antriebsbatterien durchaus denk bar. Batterie und Fahrzeughersteller betreiben jedenfalls einen grossen Forschungs und Entwicklungsaufwand für leistungsfähigere, günstigere, nachhaltigere und sichere Batterien. Dabei kommen sowohl neue Material kombinationen als auch Batteriestrukturen zum Einsatz. Ein Beispiel dafür sind Natrium Ionen oder Lithium-Eisenphosphat-Batterien für das preissensitive Volumensegment. Beim Batteriepaket wird versucht, über eine stärkere Integration der Zellen direkt in das Gehäuse Gewicht und Platz zu sparen und somit die Effizienz zu erhöhen.

Kapazität und Ladeleistung
Die Kapazität bzw. der Energieinhalt einer Antriebsbatterie wird in kWh angegeben. Typische Kapazitäten moderner Elektroautos liegen zwischen 50 und 100 kWh. Bei einem realen Verbrauch zwischen 20 und 30 kWh auf 100 Kilometer lassen sich damit Reich weiten zwischen 200 und 500 Kilometern erzielen. Der im Fahrzeugdisplay angezeigte Ladestand (state of charge, SOC) ist jeweils in Bezug auf die Netto-Kapazität zu verstehen. Die maximal mögliche und als Brutto Kapazität bezeichnete Energiemenge wird nicht vollständig freigegeben, um eine über die Batterielebensdauer möglichst konstante Netto-Kapazität beizubehalten und die Zellen vor zu starkem Laden/Entladen zu schützen. Beim Schnellladen mit mehr als 50 kW Ladeleistung gilt es zu beachten, dass die maximale Ladeleistung in der Regel nur im Bereich zwischen 10 und 60 Prozent des Ladestandes abgerufen werden kann. Je nach Batterietechnologie und Lademanagement wird die Ladeleistung bei höherem Ladestand mehr oder weniger stark reduziert. Die bei Fahrzeug tests publizierten Ladekurven geben dazu gute Hinweise. Es macht daher wenig Sinn, eine Batterie an einer Schnellladestation voll ständig aufzuladen, es sei denn, man ist auf jeden verfügbaren Kilometer Reichweite bis zur nächsten Lademöglichkeit angewiesen.


Ladekurven von verschiedenen Fahrzeugklassen. Quelle: EnBW

V2X
Die im Steckerfahrzeug eingebaute Hochvolt Batterie eignet sich im Prinzip nicht nur zur Energieversorgung des Fahrzeugs, sondern kann auch als Stromquelle für externe Geräte oder als Zwischenspeicher für überschüssige elektrische Energie dienen. Was unter den Begriffen «V2X» (vehicle to everything) und «bidirektionales Laden» nach einem vielversprechenden Ansatz klingt, benötigt in der Praxis noch einiges an Klärung und eine gute Wirtschaftlichkeit, damit sich die grundsätzlich vorhandene Technik am Markt durch zusetzen vermag. Möchte man zum Beispiel die Fotovoltaik-Anlage und die elektrischen Verbraucher seines Eigenheimes mit der Fahrzeugbatterie auf bidirektionalen Betrieb ausrichten, benötigt dies nicht nur eine der zeit über 10 000 Franken teure Ladestation, sondern auch entsprechende Wechselrichter, Schnittstellen und Energiemanagement systeme, bei denen alle Hauskomponenten sowie das Fahrzeug eingebunden sind. Es gilt in diesem Fall abzuwägen, ob sich diese Vollintegration lohnt oder ob die Fahrzeug batterie (vorerst) nur als Antriebsbatterie genutzt wird, während überschüssige Energie der PV-Anlage ins Netz zurückgespeist oder in einen stationären Gebäudespeicher geleitet wird. Dabei hilft es im Gespräch mit der Kundschaft, typische Werte für den Energie-verbrauch eines Eigenheims zu kennen und dies in Relation zum Inhalt einer Antriebsbatterie zu setzen. Ein typischer Energiever brauch eines mit einer Wärmepumpe beheizten Einfamilienhauses liegt bei 8000 kWh im Jahr, wovon rund die Hälfte auf die Wärme pumpe entfällt. Der Tagesbedarf eines Einfamilienhauses entspricht somit etwa der Fahrt eines Elektroautos über 100 Kilometer.

Die unter dem Begriff «V2X» zusammenge fassten Möglichkeiten dürften sich in den nächsten Jahren sowohl auf Fahrzeugseite als auch bezüglich Infrastruktur und rechtlicher Rahmenbedingungen weiterentwickeln. Ein fachere Anwendungen wie V2L (vehicle to load), also der Betrieb eines externen elektrischen Gerätes über einen Anschluss am Fahrzeug, sind schon verfügbar. Mit V2H (vehicle to home), V2B (vehicle to building) und schliesslich V2G (vehicle to grid) steigen Anforderungen und Komplexität immer stärker an. Es wird somit noch eine Weile dauern, bis der am Netz angeschlossene Elektrofahrzeugpark als wichtiger Pufferspeicher für das Schweizer oder gar internationale Stromnetz im grossen Massstab genutzt werden kann. Entsprechende Pilotprojekte finden dagegen bereits heute statt.

Ladeinfrastruktur im Fahrzeuggewerbe
Für die optimale Auswahl der Ladeinfrastruktur im Garagenbetrieb müssen zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden. Aspekte wie Anschlussleistung, eigene Energieerzeugung, Speicherlösungen, Netzintegration, Schnittstellen, Vorgaben seitens Fahrzeughersteller etc. werden in den folgenden Ausgaben der Artikelserie vertieft. Die Vielfältigkeit und Komplexität der Thematik legt nahe, dass man sich als Garage durch entsprechende Partner aus der Energiebranche beraten lässt. Eine sorgfältige Planung beinhaltet auch, dass man sich für spätere Anpassungen rüstet. Das kann z.B. die Betreuung von Fahrzeugen mit anderen Anforderungen an die internen La destationen oder die nachträgliche Montage einer PV-Anlage sein. Sinnvoll ist auch, sich bereits im Vorfeld Gedanken über die Möglichkeiten zur Verrechnung des via Ladestation bezogenen Stroms, einer allfälligen Rück speisung ins Stromnetz sowie zur Sicherheit vor Manipulationen zu machen. Die Anforde rungen an Ladestationen im Showroom, in der Werkstatt, bei (Kurzzeit-)Kundenparkplätzen und für Parkplätze der Mitarbeitenden dürften sich diesbezüglich unterscheiden.

Die Erfahrungen aus der Einrichtung der betrieblichen Ladeinfrastruktur können auch als wertvolles Hintergrundwissen für die Kun denberatung genutzt werden. So sind Begriffe wie statisches, dynamisches oder bedarfsge rechtes Lademanagement für Garagisten, die sich bereits mit der Auswahl des optimalen Lademanagements für ihren Betrieb befasst haben, genauso wenig Fremdwörter wie netz dienliches bzw. systemdienliches Laden der Fahrzeugbatterien. 

Finanzielle Aspekte
In einigen Gemeinden werden Unternehmen und Private bei der Installation von Ladeinfrastruktur finanziell unterstützt. Mit Eingabe der Postleitzahl auf www.energiefranken.ch lässt sich schnell überprüfen, welche Unterstützung zur Verfügung steht und wie diese beantragt wird.

Bei zu Hause geladenen elektrischen Flottenfahrzeugen stellt sich die Frage nach der korrekten Abrechnung bzw. Entschädigung der Mitarbeitenden. Voraussetzung dafür sind Energiezähler auf Ebene der Ladestation. Je nach Anforderungen genügt dabei ein facher integrierter Stromzähler oder es wird eine Ladestation benötigt, die geeicht bzw. MID-konform ist (MID = Measurement Instruments Directive). 

Schweizer Detailhändler, Energieversorger und Tankstellenbetreiber investieren viel in ein modernes Angebot an Ladeinfrastruktur. Die zweite Ausgabe der Artikelserie wird sich auf diese Akteure fokussieren.
 
Serie Elektromobilität in der Garage (1/5)
Mit einer Artikelserie über verschiedene Aspekte der Ladeinfrastruktur greifen die AGVS-Medien die Thematik auf. Um einen Eindruck über die vielfältigen Fragestel lungen, Chancen und Herausforderungen zu geben, soll zum Auftakt der Artikelserie ein möglichst breites Bild zur Ladeinfrastruktur gezeichnet werden. In den nächsten Ausgaben vervollständigen und vertiefen Experten aus unterschiedlicher Perspektive das Bild.
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